Proximale Humerusfraktur

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Oberarmbrüche 

Was ist ein Oberarmkopfbruch? 

Der proximale Humerus (der obere Abschnitt des Oberarmknochens in der Nähe des Schultergelenks) ist einer der am häufigsten betroffenen Knochenbrüche. Besonders ältere Menschen sind betroffen, aber auch jüngere Patienten können bei schweren Unfällen mit hoher Krafteinwirkung einen Bruch in diesem Bereich erleiden. Fachsprachlich wird dieser Bruch als proximale Humerusfraktur bezeichnet. 

Warum ist ein Oberarmkopfbruch so kompliziert in der Behandlung – sowohl für Patienten als auch für Ärzte? 

Der Oberarmkopf besitzt eine große Gelenkfläche, die im Bereich des Schultergelenks mit Knorpel überzogen ist. Brüche, die Gelenkflächen betreffen, sollten grundsätzlich so präzise wie möglich in ihrer ursprünglichen Anatomie wiederhergestellt werden. 

Neben der großen Gelenkfläche gibt es zwei weitere knöcherne Strukturen, die eine wichtige Rolle spielen: 

  • Großer Höcker (Tuberculum majus): Hier setzen drei Sehnen der Rotatorenmanschette an.
  • Kleiner Höcker (Tuberculum minus): Hier setzt eine Sehne an. 

Diese Sehnen sind essenziell für die Stabilisierung des Schultergelenks sowie für dessen Drehbewegungen. 

Ein weiterer Komplikationsfaktor ist die Gelenkkapsel. Sie ist normalerweise elastisch, verdickt sich jedoch bei Verletzungen oder Brüchen erheblich. Diese Verdickung führt zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung. 

Die Kombination aus der Wiederherstellung der anatomischen Strukturen und der langanhaltenden Entzündung der Gelenkkapsel stellt eine große Herausforderung für die Therapie und Nachbehandlung dar. 

Wie sollte eine proximale Humerusfraktur behandelt werden? 

Die Behandlung hängt vor allem vom Alter der Patientin oder des Patienten, vom Ausmaß der Bruchverschiebung sowie von der Beteiligung der knöchernen Strukturen oder der Gelenkkapsel ab. 

  • Minimale Verschiebung: Solche Brüche werden typischerweise unabhängig vom Alter konservativ, also ohne Operation, behandelt.
  • Starke Verschiebung:
  • Bei aktiven oder biologisch jüngeren Patienten wird meist eine Operation notwendig.
  • Bei älteren Patienten mit geringeren Ansprüchen zeigen Studien, dass trotz großer Verschiebungen oft eine hohe Zufriedenheit nach konservativer Therapie (Ruhigstellung ohne Operation) erreicht werden kann.
Welche Operation ist notwendig, wenn ein Eingriff erforderlich ist? 
  • Jüngere, aktive Patienten: Hier wird versucht, das Gelenk zu rekonstruieren und zu erhalten. Dies geschieht in der Regel durch:
  • Plattenosteosynthese: Der Bruch wird über einen offenen Schnitt anatomisch korrekt eingerichtet und mit einer Platte sowie Schrauben stabilisiert.
  • Marknagelung: Ein Nagel wird in den Knochen eingebracht, und Schrauben sichern die Bruchfragmente durch den Nagel hindurch.
  • Ältere, aktive Patienten mit schlechter Knochenqualität: Hier wird meist ein Gelenkersatz bevorzugt.
  • Für Patienten über 65 hat sich gezeigt, dass die inverse Schulterprothese die zuverlässigsten Ergebnisse liefert.
  • Bei jüngeren Patienten mit starker Zertrümmerung kommt eher die Hemiprothese (Ersatz des Oberarmkopfes) zum Einsatz. Allerdings hängt das Ergebnis stark von der möglichst anatomischen Rekonstruktion der knöchernen Vorsprünge (Tuberculum majus und minus) ab.


Es ist bekannt, dass die Hemiprothese weniger verlässliche Ergebnisse liefert als die inverse Schulterprothese. Studien zeigen jedoch, dass die inverse Prothese bei Patienten unter 50 Jahren häufig zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Deshalb wird sie bei Patienten unter 50 nur in Ausnahmefällen eingesetzt. 

Wie lange dauert die Nachbehandlung nach einem Oberarmbruch? 

Die Verletzung löst eine starke Entzündungsreaktion in der Gelenkkapsel aus, die zu einer erheblichen Verdickung und Bewegungs-einschränkung führt. Diese kann als eine Art „innere Gipsruhigstellung“ betrachtet werden. 

  • Die vollständige Rückbildung der Entzündung dauert in der Regel mindestens ein Jahr.
  • In 10 % der Fälle kann dies auch länger dauern.
  • Von einer Frozen Shoulder spricht man, wenn nach sechs Monaten die Außenrotation nicht mehr als 20 Grad beträgt.


Es ist wichtig, die Patienten bereits zum Zeitpunkt der Verletzung darüber aufzuklären, dass Bewegungseinschränkungen sie voraussichtlich für ein Jahr begleiten werden. Dies stärkt das Vertrauen zwischen Arzt und Patient und hilft, realistische Erwartungen zu setzen. 

Nach einer Operation kann die Entzündung durch den zusätzlichen Eingriff noch verstärkt werden, insbesondere bei gelenkerhaltenden Verfahren wie Platten- oder Nagelosteosynthesen. Dies führt häufig zu einer intensiveren Entzündungsreaktion und zu stärkeren Bewegungseinschränkungen. 

Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass diese Einschränkungen mindestens ein Jahr bestehen bleiben werden. 

Bei älteren Patienten, die eine inverse Schulterprothese erhalten, ist die Nachbehandlung deutlich einfacher, da bereits ab dem ersten postoperativen Tag passive Bewegungsübungen möglich sind. 

Wie sieht die Rehabilitation nach einem Oberarmbruch aus? 

Die Rehabilitation verläuft in drei Phasen: 

  1. Schutzphase (erste sechs Wochen): Der Bruch soll möglichst ungestört heilen. Dies gilt auch nach gelenkerhaltenden Operationen.
  2. Bewegungsphase (7. bis 12. Woche): Fokus auf Bewegungstherapie ohne Belastung.
  3. Kräftigungsphase (ab der 13. Woche): Beginn der Kräftigungsübungen, wobei Bewegungseinschränkungen noch bestehen können